Ständig bei sich selbst sein

Die Selbstständigkeit – wie kann sich etwas so wohlig und heimelig anfühlen, wie das eigene Zuhause, und gleichzeitig so überwältigend groß, einschüchternd und verwirrend sein?

Es gibt nicht wenige Tage, an denen ich mich frage: Wieso hast du nicht Literaturwissenschaften studiert, wie du es nach dem Abitur vorhattest? Wieso bist du nicht Paläontologin geworden, wie du es dir als Kind gewünscht hast? Wieso lebst du freiwillig mit so vielen existenziellen Unsicherheiten, obwohl du jetzt auch auf einer Insel sein könntest, um Vögel zu zählen und dafür sogar noch bezahlt werden würdest?

Einen Beruf gewählt zu haben, für den es keine festen Richtlinien gibt, keine Anleitung und keinen vorgegebenen Weg stellt jeden Tag eine Herausforderung dar.

Außenstehende sehen in erster Linie die bequeme Heimarbeit, die eigene Entscheidungsgewalt, die erfüllende kreative Arbeit und halten einem sogar nicht selten vor, das wäre ja mehr ein Hobby als ein Beruf.

Doch hinter der Selbstständigkeit steckt so viel mehr – jeden Tag klopft die Existenzangst an die Tür, wie ein alter Freund, der zum Kaffee kommt. Der Selbstzweifel bringt die tägliche Morgenzeitung und die bürokratische Überforderung sitzt bereits unter dem Tisch, um im unpassendsten Moment hervor zu springen und dich anzubrüllen. Das ist nicht, was die Selbstständigkeit ausmacht, doch es ist etwas, das schlichtweg dazu gehört.

Wie also damit umgehen?

Paula Modersohn-Becker hat einmal gesagt: „Versuche nicht Stufen zu überspringen. Wer einen weiten Weg hat, läuft nicht.“ Und ich finde, das sind sehr weise Worte von einer Frau, die ihrerseits jeden Tag mit Selbstzweifeln und Kritik von außen zu kämpfen hatte. Denn bei jeder Stufe wachsen wir. Mit jedem Schritt wird die Sicht klarer und der Blick weiter. Doch wenn man eine Stufe überspringt, gerät man schnell ins Stolpern.