Gibt es schlechte Kinderbücher?

 

Ich habe mich selbst schon oft dabei ertappt, wie ich viele Kinder- und Bilderbücher verurteile; mich frage, was da den Mehrwert für die Kinder darstellt. Kurz: Ich als Erwachsene habe Bücher, die an Kinder gerichtet sind, als schlecht deklariert.
Vor einiger Zeit habe ich das Buch „Beobachtungen aus der letzten Reihe“ von Neil Gaiman gelesen, das mir meine arrogante Ansicht charmant vor Augen geführt hat. Er vertritt darin die Ansicht, dass es keine schlechten Bücher für Kinder gibt. Kinder fänden die Geschichten, die sie brauchen, ganz von selbst. Kinder würden immer etwas Eigenes aus dem ziehen, was sie lesen. Sie entscheiden selbst, was sie für beglückend, magisch, spannend, langweilig oder verstörend halten. „Sie fühlen Dinge und besuchen Orte und Welten, von denen sie ansonsten nie etwas erfahren hätten. Sie werden zu jemand anderem, und wenn Sie wieder in ihre eigene Welt zurückkehren, dann haben sie sich ein wenig verändert.“ Man dürfe Kinder nicht im Lesen entmutigen, weil man der Auffassung ist, sie würden das Falsche lesen. Wenn man Kindern Literatur aufzwänge, die sie nicht interessiert, schüfe man dadurch eine Generation, die Lesen und Bücher für eine Zeitverschwendung und etwas Unangenehmes hält.

Klingt völlig logisch, nicht wahr? Und trotzdem bewerten Erwachsene nach von Erwachsenen aufgestellte Kriterien, welche Kinderliteratur gut und welche schlecht ist. Und trotzdem wird es kaum Eltern geben, die ihre Kinder selbst entscheiden lassen, was sie lesen möchten und verwehren ihnen damit Türen in wundervolle Welten. Die Angst, Kinder durch die falsche Literatur zu überfordern, zu traumatisieren und zu verstören ist heute groß. Dabei müssen sie nur am Handy ein bisschen rumsurfen und begegnen Dingen, bei denen diese Sorge tatsächlich berechtigt ist.

Gaiman schreibt, dass selbst wenn Kinder etwas selbst gewähltes lesen, was sie verstört oder was sie langweilt, dann gelangen sie von dort zu anderen Büchern, die besser zu ihnen passen, da sie erfahren haben, was ihnen nicht gefällt. Kinder müssen entdecken. „Und das heißt schlicht, Bücher zu finden, die ihnen gefallen, ihnen Zugang zu diesen Büchern zu verschaffen und sie dann einfach lesen zu lassen.“

Ich jedenfalls werde Kinderbücher nun nicht mehr von oben betrachten, sondern auf Augenhöhe und hoffe, dass meine Kinderaugen noch nicht ganz verschwunden sind.

 

I have often found myself condemning many children’s books and picture books; wondering what the added value is there for the children. In short, as an adult, I have declared books aimed at children to be bad.
Some time ago I read the book „Observations from the Last Row“ by Neil Gaiman, which charmingly brought home to me my arrogant view. In it, he argues that there are no bad books for children. Children would find the stories they need all by themselves. Children would always draw something of their own from what they read. They decide for themselves what they find delightful, magical, exciting, boring or disturbing. „They feel things and visit places and worlds they would never have known about otherwise. They become someone else, and when you go back to their own world, they’ve changed a little bit.“ You can’t discourage children from reading because you think they’re reading the wrong thing, he said. If you force literature on children that doesn’t interest them, you create a generation that thinks reading and books are a waste of time and something unpleasant.

Sounds perfectly logical, doesn’t it? And yet adults judge which children’s literature is good and which is bad according to criteria set up by adults. And yet there will hardly be any parents who let their children decide for themselves what they want to read, thus denying them doors into wonderful worlds. The fear of overtaxing, traumatizing and upsetting children with the wrong literature is great today. Yet all they have to do is surf around a bit on their cell phones and encounter things where this concern is indeed justified.

Gaiman writes that even when children read something of their own choosing that disturbs them or that bores them, they move on from there to other books that suit them better, having experienced what they don’t like. Children need to discover. „And that simply means finding books they like, giving them access to those books, and then just letting them read them.“

I, for one, will now no longer look at children’s books from above, but at eye level, and hope that my children’s eyes haven’t completely disappeared.