Jedes Jahr werde ich ein bisschen traurig, wenn die Weihnachtszeit zu Ende geht. Diese ganz besondere Atmosphäre, die so viele Kindheitserinnerungen weckt und so wunderschöne Rituale mit sich bringt. Der Duft von Keksen und Zimt wabert durchs Haus, das Räuchermännchen pafft fröhlich vor sich hin und überall tanzen kleine Lichter. Und das Beste ist, zur Weihnachtszeit kann man seiner heimlichen Liebe für Kitsch nachgehen, ohne dass man sich schämen müsste.
Ich bemühe mich jedes Jahr so viel wie möglich selbst zu basteln, zu backen und zu gestalten. Das Wintergrün sammeln wir beim Spazierengehen, woraus sich wunderschöne Kränze zum Verschenken zaubern lassen. Ohnehin ist Weihnachten eine wunderbare Möglichkeit selbstgemachtes zu verschenken. Kekse, Marmelade, Gewürze, Christbaumschmuck…
Auch ist eines meiner wichtigsten Rituale jedes Jahr beim Backen die Weihnachtsgeschichten von Astrid Lindgren anzuhören, am liebsten die, die von Manfred Steffen gelesen werden. Seine Stimme holt mich jedes Mal in meine Kindheit zurück.
So warm die Kindheitserinnerungen auch sein können, so sehr kann es auch schmerzen, wenn man realisiert, dass Weihnachten nicht mehr dasselbe ist, wie es einmal war. So ist Weihnachten auch immer eine Zeit, in der man viel über die Vergänglichkeit nachdenkt. In der plötzlich geliebte Menschen fehlen, die Weihnachten in der Kindheit zu dem gemacht haben, wie wir es in Erinnerung halten. Weihnachten sollte im Jahr nicht die einzige Zeit sein, in der man bewusste Familienzeit verlebt, und doch ist Weihnachten nunmal die Zeit, in der die Familie am stärksten im Vordergrund steht.
Weihnachten wurde bei uns bereits ein anderes, als mein Opa nicht mehr da war. Einige Zeit darauf war auch meine Oma gegangen und die Wohnung, in der wir fast jedes Jahr Weihnachten gefeiert haben, war auch nicht mehr. Alles, das geht, hinterlässt eine Lücke, die still neben einem sitzt. Diese Weihnachten saß eine noch größere Lücke zwischen uns.
Die Eltern prägen Weihnachten für uns wie niemand sonst. Sie legen den Grundstein, als was wir die Weihnachtszeit empfinden. Mein Bruder und ich hatten das wunderbare Glück, dass unsere Eltern die Weihnachtszeit immer zu etwas besonderem gemacht haben, in der wir selbst mit gestalten durften. So haben wir uns als Familie unsere eigenen Weihnachtsrituale geschaffen und mit jedem Familienmitglied verbinden wir andere Erinnerungen an die Weihnachtszeit. Die letzten Jahre habe ich mit meinem Vater immer den Baum geschmückt und wir haben das Hörbuch „Hilfe, die Herdmanns kommen“ dabei gehört, natürlich von Manfred Steffen gelesen, während mein Vater fluchend die Lichterketten entwirrt hat und zwischendurch Lachkrämpfe wegen den Herdmanns bekam. Wenn er Weihnachtsplätzchen backte, dann in einer Menge, die ein 6-Parteien-Haus satt gemacht hätte. Dabei schmetterten die Rat Packs ihre Weihnachtsschlager im Hintergrund. Selbst an dem Weihnachten, an dem meine Eltern und mein Bruder einen Magen-Darm-Virus hatten und ich nach einer kleinen Operation nur auf dem Sofa liegen konnte, schaffte er es eine so gute und ausgelassene Stimmung zu verbreiten, dass dieses Weihnachten mir als eins der Schönsten in Erinnerung geblieben ist – zumal mein Vater uns ein kleines Konzert mit Hilfe seines linken Nasenlochs auf der Blockflöte darbot.
Wenn dieser Mensch dann fehlt, fühlt sich Weihnachten plötzlich nur noch wie ein halbes Weihnachten an. Ein Weihnachten mit einer Lücke, die den ganzen Raum einzunehmen scheint und man spürt, dass diese Lücke nun zu Weihnachten gehören wird – Jahr für Jahr.
Aber was bleibt, sind die Erinnerungen, in denen man die Weihnachtszeit besuchen kann, die noch keine Lücke hatte. In der der ganze Raum noch voller kleiner Lichter war.
Menschen sind erst fort, wenn wir nicht mehr über sie sprechen. Und ein Weihnachtsritual sollte sein, über die zu sprechen, die nicht mehr bei uns sind. Denn so fühlen sie sich gar nicht mehr weit weg an und die Lücke lässt ein paar Lichtern wieder Platz.
In liebevoller Erinnerung an meinen Papa und in Gedanken bei allen, die an Weihnachten einer Lücke im Raum Platz machen müssen.